Zielsetzungen und theoretische Grundlagen.
Das an der Universität Salzburg angebotene Beratungsprojekt für Lehramtsstudierende (vgl. die Darstellung in Eder & Hörl 2007) wurde auf der Basis von Erfahrungen aus einem allgemeinen Studienberatungsprojekt (vgl. Bergmann, Brandstätter & Eder, 1994) entwickelt. Es orientiert sich theoretisch und methodisch an bewährten Prinzipien der Berufs- und Eignungspsychologie:
(1) Entsprechend den Annahmen der Laufbahnentwicklungstheorie (Super, 1957; vgl. die Darstellung in Bergmann, 2004) bzw. des Person-Umwelt-Modells von Holland (1997) führen Berufs- und Laufbahnentscheidungen umso eher zu einem subjektiv und objektiv befriedigenden Erfolg in Ausbildung und Beruf, je größer die Kongruenz (Passung) zwischen den Merkmalen der Person und den Anforderungen in der beruflichen Umwelt ist; auch die Theorie der Arbeitsanpassung (Dawies & Lofquist, 1989) stützt sich auf diese Annahme. Zu den in beruflicher Hinsicht wichtigen Merkmalen der Person zählen insbesondere (berufliche) Interessen, Fähigkeiten, Ziele und Werte, sowie Merkmale des Selbstkonzepts (vgl. Bergmann, 2004). Relevante Merkmale der beruflichen Umwelt sind insbesondere die Tätigkeiten, die in einem Beruf verlangt werden, sowie die sozialen und sonstigen Arbeitsbedingungen, unter denen diese Tätigkeiten erbracht werden müssen.
(2) Die Laufbahnentwicklungstheorie postuliert, das die Entscheidung für einen bestimmten Beruf nicht punktuell geschieht, sondern als längerdauernder Prozess verstanden werden muss, in dem eine Person versucht, die Vorstellung von der eigenen Person (Selbstkonzept) mit ihrer Vorstellung von einem bestimmten Beruf (Berufskonzept) zur Übereinstimmung zu bringen (Bergmann, 2004). Dieser Prozess beginnt mit den ersten Berufswünschen in der Kindheit und kommt mit der ersten Einmündung in einen Beruf zu einem vorläufigen Abschluss.
(3) Zum Zeitpunkt, zu dem eine berufliche Entscheidung getroffen werden muss, sollte eine Person über eine realistische Vorstellung von sich selbst sowie über eine realitätsangemessene Vorstellung von den Anforderungen eines Berufes verfügen.
(4) Berufliche Beratung muss daher darauf abzielen, Personen bei der Entwicklung realistischer Vorstellungen zu unterstützen, damit dieser Prozess der Zuordnung zwischen Person und beruflicher Umwelt bewusst und reflektiert erfolgen kann; für eine solche „Entwicklungsberatung“ (vgl. Bergmann, 2004) ist es jedoch „wesentlich, dass die Verarbeitung psychologischer und berufskundlicher Informationen durch den Klienten selbst erfolgt und dass dieser letztlich auch selbst die berufliche Entscheidung trifft“ (Bergmann, 2004, S. 381).
Beratungsmethodik und Verfahren
Auf dieser Grundlage zielt das Beratungsprojekt darauf ab, die Teilnehmer/innen zu unterstützen, Klarheit über die eigene Person zu gewinnen und dieses Wissen über sich selbst mit den Anforderungen im Lehrberuf zu verbinden. Sie absolvieren daher Tests und Befragungen zu ihren grundlegenden Persönlichkeitsorientierungen (NEO-FFI; Borkenau & Ostendorf, 1993), zu ihren beruflichen Interessen (AIST; Bergmann & Eder, 1995), zu ihren kognitiven Fähigkeiten (KFT; Heller & Perleth, 2000), zu ihren Berufswahlmotiven und beruflichen Werthaltungen (BWH, Bergmann 2008) sowie zur Leistungsmotivation (LMI; Schuler, Prochaska & Frintrup, 2001) und zu Merkmalen des Selbstkonzepts (Eder, 1995) und der Selbstwirksamkeit (Schwarzer & Jerusalem, 1999). Zusätzlich bearbeiten sie eine Liste mit Tätigkeiten aus dem Lehrberuf (LIS; Mayr 1998). Nach Absolvierung der Tests erhalten die Teilnehmer/innen ein Rückmeldeheft, in dem ihre Ergebnisse dargestellt und mit Interpretationshinweisen verbunden sind. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt so, dass die individuellen Werte mit den Werten einer relevanten Bezugsgruppe verglichen werden können, z.B. mit den durchschnittlichen Werten anderer Lehramtsstudierender oder erfolgreicher Lehrpersonen. In diesen Rückmeldungen wird erläutert, welchen Bezug das jeweils gemessene Merkmal zu bestimmten Anforderungen im Studium und im Lehrberuf aufweist, und es wird erläutert, bei welcher Ausprägung des Merkmals günstige Auswirkungen auf die Bewältigung dieser Anforderungen zu erwarten sind.
Die Teilnahme am Beratungsprojekt ist mit der Erwartung verbunden, dass Personen, die große Diskrepanzen zwischen ihren eigenen Merkmalen und den Anforderungen des Berufs aufweisen oder sich in wichtigen Persönlichkeitsmerkmalen weit vom Durchschnitt der Referenzgruppen unterscheiden, durch diese Diskrepanz zu einer Auseinandersetzung mit ihrer Berufsentscheidung angeregt werden. Erfahrungen aus dem Vorläuferprojekt (Brandstätter, Grillich & Farthofer, 2002) und schon erfolgte Evaluierungen der Nutzung des Salzburger Projekts (Eder & Hörl, 2006) lassen vermuten, dass dieser Effekt tatsächlich eintritt.
Die Studieneignungsberatung zielt nicht auf Auslese. Daher werden grundsätzlich nur solche Merkmale getestet, die relativ stabil sind und eine Aussage über das Entwicklungspotential der einzelnen Personen ermöglichen. Hingegen werden keine Merkmale erhoben, die im Laufe des Studiums erst erworben werden sollen (z. B. schon vorhandene Kompetenzen). Die Teilnehmer/innen erhalten auch keine direkte Empfehlung, ob sie für den Lehrberuf „geeignet“ sind, sondern lediglich Interpretationshinweise, bei welcher Ergebniskonstellation die durch den Studieneintritt schon getroffene Berufsentscheidung noch einmal reflektiert werden sollte.
Literatur:
Eder, F. & Hörl G. (2007). Studienberatungstests für Lehramtsstudierende. In M. Heinrich & U. Prexl-Krausz (Hrsg.), Eigene Lernwege – Quo vadis? Eine Spurensuche nach „neuen Lernformen“ in Schulpraxis und LehrerInnenbildung (Österreichische Beiträge zur Bildungsforschung, S. 179–191). Wien, Berlin: Lit Verlag.
Bergmann, C., Brandstätter, H. & Eder, F. (1994). Studienberatungstests. Abschlußbericht. Linz: Universitöt Linz, Institut für Pädagogik und Psychologie.
Bergmann, C. (2004). Berufswahl. In H. Schuler (Hrsg.), Organisationspsychologie – Grundlagen der Personalpsychologie (S. 343–385). Göttingen: Hogrefe.
Bergmann, C. & Eder, F. (2005). Allgemeiner-Interessen-Struktur-Test mit Umwelt-Struktur-Test (UST-R). Revision. Göttingen: Beltz Test Gesellschaft.
Borkenau, P. & Ostendorf, F. (1993). NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI). Nach Costa und McCrae. Göttingen: Hogrefe.
Brandstätter, H., Grillich, L. & Farthofer, A. (2002). Studienverlauf nach Studienberatung. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 16, 15-28.
Dawis, R. & Lofquist, L. (1989). A psychological theory of work adjustment. Minneapolis, MI: University of Minnesota Press.
Eder, F. (1995). Selbstkonzept. In F. Eder (Hrsg.), Das Befinden von Kindern und Jugendlichen in der Schule . Innsbruck: StudienVerlag.
Heller, K. & Perleth, C. (2000). Kognitiver Fähigkeitstest KFT 4-12+ R für die 5.-12./13. Klassen, Revision. Göttingen: Beltz-Test Gesellschaft.
Holland, J. (1997). Making vocational choices. A theory of vocational personalities and work environments (3rd ed.). Odessa, FL: Psychological Assessment Resources.
Schuler, H., Prochaska, M. & Frintrup, A. (2001). Leistungsmotivationsinventar (LMI). Dimensionen berufsbezogener Leistungsorientierung. Göttingen: Hogrefe.
Schwarzer, R. & Jerusalem M. (1999). Skalen zur Erfassung von Lehrer- und Schülermerkmalen. Dokumentation der psychometrischen Verfahren im Rahmen der Wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchs „Selbstwirksame Schulen“. Freie Universität Berlin.
Teilnehmer/innen
Das Beratungsprojekt wird seit dem Studienjahr 2005/06 im Rahmen der Studieneingangsphase für Lehramtsstudierende durchgeführt, seit 2009/10 auch für Studierende der Pädagogischen Hochschule.
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Kohorte 1 2006/07 |
Kohorte 2 2007/08 |
Kohorte 3 20080/9 |
Kohorte 4 2009/10 |
Kohorte 5 2010/11 |
Kohorte 6 2011/12 |
N (Universität) |
215 |
239 |
250 |
412 |
427 |
(450) |
N (Pädagogische Hochschule) |
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218 |
296 |
(250) |
Rückmeldeheft (anonymisiert)
Das Dokument „LBT_Rueckmeldeheft_Muster“ zeigt am Beispiel einer konkreten Personen die Rückmeldungen, welche die Studierenden als Ergebnismitteilung etwa 3-4 Wochen nach der Testung erhalten.
LBT_Rueckmeldeheft_Muster „LBT_Rueckmeldeheft_Muster.pdf“
Veröffentlichungen zum Projekt:
Eder, F. & Hörl, G. Lehrer/innenberatungstests beim Eintritt in die pädagogische Ausbildung: Referat auf der Tagung der AEPF in München, 11.-13. Sept. 2006.
Eder, F. & Hörl G. (2007). Studienberatungstests für Lehramtsstudierende. In M. Heinrich & U. Prexl-Krausz (Hrsg.), Eigene Lernwege – Quo vadis? Eine Spurensuche nach „neuen Lernformen“ in Schulpraxis und LehrerInnenbildung (Österreichische Beiträge zur Bildungsforschung, S. 179–191). Wien, Berlin: Lit Verlag.
Eder, F. & Hörl, G. (2011). Studienberatungstests für Lehramtsstudierende der Universität Salzburg. In J. Mayr & B. Nieskens (Hrsg.), Ein Lehramtsstudium beginnen: Laufbahnberatung, Bewerberauswahl und erste Schritte im Qualifizierungsprozess. Themenheft (Lehrerbildung auf dem Prüfstand, S. 63–87). Landau: Empirische Pädagogik.
Eder, F. (2008). Persönlichkeitsmerkmale von Lehramtsstudierenden. In F. Eder & G. Hörl (Hrsg.), Gerechtigkeit und Effizienz im Bildungswesen. Unterricht, Schulentwicklung und LehrerInnenbildung als professionelle Handlungsfelder (Österreichische Beiträge zur Bildungsforschung, Band 6, S. 273–293). Wien: LIT.